Wenn Deutsche und Polen über Schlesien reden

Wenn Deutsche und Polen über Schlesien reden, dann … kommt es sehr oft vor, dass diese von zwei „unterschiedlichen Regionen“ sprechen. Im Deutschen versteht man unter Schlesien, die historische deutsche Region beiderseits des Ober- und Mittellaufs der Oder, die sich im Süden entlang der Sudeten und Beskiden erstreckt. Meistens wird „Schlesien“ in der Wahrnehmung eines Deutschen mit der einstigen preußischen Provinz Schlesien gleichgesetzt, gleich diese Provinz nicht das ganze Gebiet Schlesiens umfasste. Für viele Polen ist „Schlesien“ viel, viel kleiner. Selbst polnische zeitgenössische Ausarbeitungen zum Thema Schlesien bemängeln, dass sehr oft in der polnischen Publizistik als „Schlesien“ nur das Gebiet Oberschlesiens oder sogar nur das oberschlesische Industriegebiet, zwischen Gleiwitz und Kattowitz gelegen, bezeichnet wird. Die Ursachen für diese „verkleinerte Wahrnehmung Schlesiens“ hat viele Gründe. Bereits nach der Teilung Oberschlesiens im Jahr 1922 wurde die neue Wojewodschaft, die das an Polen abgetretene ost-oberschlesische Gebiet umfasste, als „Wojewodschaft Schlesien“ bezeichnet. Die kämpferischen Auseinandersetzungen während der Volksabstimmung in Oberschlesien werden polnischerseits als „Schlesische Aufstände“ bezeichnet. Diese „verengte historische Sprachregelung“ wird auch in der Gegenwart verwendet. Gegenwärtig ist Schlesien östlich von Neiße in mehrere Wojewodschaften aufgeteilt, und zwar in die Wojewodschaften Niederschlesien, Oppeln und Schlesien. Einige kleine Teile Schlesiens wurden der Wojewodschaften Lebus, Klein- und Großpolen zugeteilt. Die Wojewodschaft Schlesien umfasst neben dem gesamten oberschlesischen Industriegebiet, mit dem dazugehörigen Umland, auch einige Streifzüge der historischen Region Kleinpolens. Zu dieser Wojewodschaft gehört somit auch die polnische Wallfahrtstätte Tschenstochau. Die Aufteilung Oberschlesiens bei der letzten Gebietsreform in zwei Wojewodschaften („Oppeln“ und „Schlesien“) hat u.a. auch dazu geführt, dass viele Menschen in der Wojewodschaft Oppeln sich nicht mehr als Oberschlesier fühlen und diesen Teil Schlesiens nicht als Oberschlesien wahrnehmen, sondern als „Oppelner Schlesien“. Für viele Personen aus der Region Oppeln umfasst „Oberschlesien“ nur das oberschlesische Industriegebiet. Somit hat die Bildung von zwei Wojewodschaften auf dem Gebiet Oberschlesiens die geschlossene „oberschlesische Zusammengehörigkeit“ zerschlagen.

Viele polnische Gesprächspartner, wenn sie von „Schlesien“ sprechen, meinen halt das Gebiet der jetzigen Wojewodschaft Schlesien, im Gegensatz zu seinem deutschen Gegenüber, der halt – wie schon angeführt – Schlesien meist mit der alten Provinz Schlesien assoziiert. Daher sollte man bei „Gesprächen über Schlesien“ gleich anfangs festlegen, welche Region der jeweilige Gesprächpartner meint, damit keine „geschichtlich-geografischen Missverständnisse“ entstehen.

Sehr oft wird auch davon gesprochen, dass nun in Oberschlesien „schlesisch“ gesprochen wird. Auch hier sollte man darauf achten, was damit tatsächlich gemeint ist. „Schlesisch“ im Deutschen wird gleichgesetzt mit der deutschen Mundart Schlesiens der Vorkriegszeit. Die slawische Mundart Oberschlesiens (auch unwissenschaftlich als „Wasserpolnisch“ bezeichnet“) wird im polnischen Sprachgebrauch als „po slasku“ – also „auf schlesisch/schlesisch“ – bezeichnet. Transferiert man die Bezeichnung aus dem Polnischen ins Deutsche, dann wird die Bezeichnung „schlesisch“ verwendet. Und auch hier gelten für ein Eigenschafts- bzw. Beiwort zwei verschiedene Deutungsformen, und zwar eine „deutsche“ und eine „polnische“.

Wenn Deutsche und Polen über Schlesien reden, dann reden sie nicht immer über „das selbe Schlesien“  ….

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